1) Ehrlosigkeit, ohne Ehrenrechte. Unehrlichkeit bezieht sich nicht auf jemand, der log, betrog, oder stahl, sondern bezeichnet eine soziale Kategorie, die mit dem Verlust von Rechten verbunden war (z.B. Testier- und Zeugenfähigkeit, Notariatfähigkeit) sowie dem Verbot, die kirchliche Weihe zu empfangen. Unehrlich waren zunächst Bettler, Vaganten, Spielleute, Schausteller, dann Handwerker, wie Leinenweber, Kesselflicker, Schäfer und Bader, deren Unehrlichkeit nicht überall und auch nicht in gleichem Maße galt; und schließlich die stets Unehrlichen: Abdecker und Scharfrichter. Die Unehrlichkeit wurde an die Kinder weitervererbt, sodass diese gezwungen waren den selben Beruf zu ergreifen, und nur einen anderen Unehrlichen heiraten konnten. Dadurch erklärt sich die starke Versippung unter Abdeckern und Scharfrichtern über weite Gebiete hinweg; vergleiche auch inder, ehrbar, Amtmann, Geburtsbrief.
2) Sie umfasste zunächst Angehörige wenig angesehener Handwerksberufe (Leinenweber, Bader, Abdecker). Weiters Spielleute, Gaukler, Kempen (Vertreter im Zweikampf), Dirnen, fahrende Leute (Vaganten) und Missetäter. In katholischen Gegenden gehörte auch der Scharfrichter dazu. Im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit entwickelte sich eine differenzierende Sicht beim Zusammenspiel von Unehrlichkeit, Ehrlosigkeit und Rechtlosigkeit. Manche Missetaten, wie zum Beispiel Landesverrat, Verrat des Freundes, Untreue, Diebstahl und Hehlerei, Mord, Meineid, Ketzerei, Hexerei (Zauberei), machten den Täter ehrlos und verminderten seine Rechtsstellung. Der Betroffene war nicht mehr eidesfähig, er genoss keinen Rechtsschutz gegen Beleidigungen, konnte nicht als glaubwürdiger Zeuge vor Gericht auftreten, keinen ehrbaren Beruf ergreifen (wurde oft auf seine Kinder ausgedehnt) und man verweigerte ihm ein Begräbnis in geweihter Erde. Diese Missetäter wurden mit den entehrenden Strafen (Hängen, Rädern, Verbrennen, Zerreißen, Sieden) hingerichtet. Sie wurden auch gestäupt und aus dem Land verwiesen (hinausgeprügelt und gebrandmarkt).
<p>1) Riepl, Reinhard, Wörterbuch zur Familien- und Heimatforschung in Bayern und Österreich. 2. Auflage, Waldkraiburg, 2004. S. 392.</p>
<p>2) Schild, Wolfgang, Folter, Pranger, Scheiterhaufen. Rechtsprechung im Mittelalter, Bassermann Verlag, München, 2010. S. 43-45.</p>