Ravelsbach, Interpretation der ersten vier Artikel des Taidings I. (1727)

a. Fragepunkte.     

Anfrag auf nachvolgende 5 puncten so in des markts Rauelspach paanthädungsbüchel enthalten, mit disen formalien:

1. Von erst melden und ruegen wier das dem alten herkomen und geprauch, auch nach besag des gotzhauss Melckh freihait remischer kaiser und künig und fürstlicher tuerleichtikait etc. als erbherrn und landsfürstn in Esterreich genediger bestättung, bei den unser vorfarn und wier bissher albeg ôn ierrung beliben sein, kain richter im lant in dem markt Rauelspach noch als ferr desselben markts zuegehering grünt und purkfridt raichen, umb kainerlai tat oder sachen zu greifen auch sunst mit den leutn des selbigen gotzhauss nichts zu richten noch zu gepieten hat, ausgenumen in drei vellen und sachen, als mort offen dieperei und frawen- oder junkfrawnettung und andern der gleichen sachen und getäten die mit dem tot zu puessn sint.

Was aber zu observiren? als mort offene dieberei und frauen- oder jungfrauennöthung und andere dergleichen sachen und getaten die mit dem todt zu bussen sein.

2. und wo der selben tätter ainer oder mer auf des gotzhaus güetern oder gründn befunden und erinert wurden, so sol der landrichter dannoch mit fräffel und ân willn und erinerung des gotzhauss anwelt, richter oder verwesser auf des gotzhauss grünt nicht greifen sunder erwarden biss ime der selb tätter nach laut und vermügen angeregter des gotzhauss freihait wie er mit güertl umbfangen ist überantburdt wirdet mit dem selben ân engeltnüss des gotzhauss und seiner underthanen zu handln wie recht ist.

Wie der unterschid zu halten wan der thätter einer von des closters leuten, unterthannen oder ein frembder ist?

3. Begäb sich dann das ein frembder man oder weib in den markt käme der oder die verstolln guet trüegen oder triben und damit beschriern und gefangen würden, von wem das wäre, die soll man dem landrichter anpietn und mit derselben handschaft altn prauch und herkumen nach antburten zu dem stainen prückl, der alsdann mit dem oder der selben ân weiter engeltnüss des gotzhauss leit handln soll wie recht ist.

Ob bei disen keine weitere umbstänt in acht zu nemmen seind? und ob die aufgangene unkosten einzubehalten?

4. Wo aber der landrichter die selben nit annemen wolld oder wüert, so sein wier im noch sonst niemeds weiter nits darumb phlichtig noch schuldig. und ob des hienach iemands von des gotzhauss wegen von dem selben diep schaden neme, den soll uns der landrichter abtragen, nachdem er dem landgericht nit nachkumen ist.

Wie diser puncten zue observiren ist?

5. Wuerd aber iemands versagt gegen dem landgericht oder sunst vertacht oder bezicht mit ainicher tat die mit dem tot zu püessn war, und das der landrichter den selben tätter oder täterin darumben erfordert, soll im der herr oder sein anwelt den oder die halden zu ierer verantburtung auf ier ausredt. mügen er oder si sich alsdann der inzicht bereden, oder ob der landrichter die nit mit glaublichem schein, grüntlichen und gnuegsamen indicien anzaigt und beipringt, so ist er oder si müessig und ledig. hat er oder si aber schult, so sullen si des gotzhauss anwelt dem landrichter allain wie er oder si mit güertl umbfangen ist ân weiter engeltness ier guets uberantburten zu der stainen prucken, wie oben gemeldt und das alles in des gotzhauss privilegien und der aufgerichten landgerichtsordnung clarlicher ausgetruckt ist.

Dises mus nur auf die unterthannen und nicht auf die frembden zu verstehen seien, oder was mehrers darbei zu beobachten sein könnë

b. Beantwortung.     

Etwelche hieher eingeschikte anfragen über einige in der paanthättung des markts Rauelspach enthaltene puncten.

Beantworthung.

Und zwar betreffent den 1ten punct will man sich anfragen (die erste Frage des Stückes a wird wiederholt, sammt dem Fehler gedachten). - Ad 1um. diser punct ist zu verstechen daß der closter Mölckherische marktrath Rauelspach vermög landsfürstlichen privilegien mit denen closter Mölckherischen unterthannen und leuten alle und iede criminalia und lantgrichtliche casus ohne hindernus deren lantgerichtern gerichtlich tractiren und hierüber urtlen köne, ausgenohmen aller der jenigen fählen welche dem todt würklich verschuldet haben. ob aber bei denen einkommenten unterthannen und leuten des closters Mölckh das befundene verbrechen den todt würklich verschuldet habe oder etwan davon wegen einigen unterlaufenten umbständen so daß verbrechen mörklich erringeren und minderen zu entschuldigen seie, als es sich nach guetachten deren herrn rechtsgelehrten in jüngst vorfahlenten casu criminali des diebsstall gezeiget hat, soliches ist eben von gedachten marktrath ordentlich zu untersuechen. auf was weiß ferners dergleichen criminalien und lantgerichtliche verbrechen so den todt nicht verwürket haben sollen nach rechtlicher ordnung gehandlet werden, dises ist aus der nacher Rauelspach nächstens eingeschikter information und guetachten clarlich abzunehmen.

Betreffent den 2ten punct (die Frage 2 des Stückes a wird wiederholt) . - Wan der thätter einer aus denen closterleuten oder underthannen ist welchen der marktrath Rauelspach nach rechtlich beschechener untersuechung der thatt billig erkennet die straff des todts verwürket zu haben, alsdan ist solcher dem landgericht anzudeuten und auch dem selbigen mit gürtl umbfangen zu überantworthen, also das des hiemit ausgeliferten thätters haab und guet dem closter Mölckh zufahlen, worvon gleichwollen meines erachtens die unkosten des gedachten marktraths zu bezahlen seind.

Da aber der thätter ein frembder ist welcher wegen eines verbrechen zu Rauelspach beschrüren und in verhaft genohmen würd so die lantgerichtsordnung für lantgerichtlich haltet, alsdan hat solchen der marktrath Rauelspach dem lantgricht anzudeuten und auch eben nur mit gürtl umbfangen auszuliferen, es mag dises lantgrichtliche verbrechen den todt verwürket haben oder nicht.

Überigens ist in disen punct der sensus nicht allerdings clar, dahero geglaubet würd das in eingeschikter copia der paanthättung zu Rauelspach etwas gefehlet seie, so aus den original zu verbesseren wäre.

Betreffent den 3ten punct (die Frage 3 des Stückes a wird wiederholt) . - Hierbei ist zu observiren was gleich zuvor von einkomenten frembden thättern gemeldet worden, das befundene frembde guet aber hat der marktrath Rauelspach aufzubehalten und nachmahls gegen quittung und schadloßhaltung denen jenigen herren zu extradiren welche sich hierzue rechtens legitimiren könen. und da bei den dieb neben frembden guetauch was aigenthumbliches befunden würd, alsdan könen zweifelsohne hiervon die zu Rauelspach aufgangene unkosten bezahlet werden.

Betreffent den 4ten punct: wie diser punct zu observiren ist? - Als vorzeiten ein dieb dem lantgricht angedeutet wurde, dises aber selben nicht annemen wolte, alsdan kunte solchen dieb die jenige gemeinte frei laufen laßen welche ihme in verhaft gehalten, allwo nachgechents das land- gricht allen schaden ersezen muesste welche der dieb so woll durch vormahligen als künftig widerholten diebstall zuegefieget hat. entgegen bei gegenwerthigen zeiten weren dergleichen aufgebrachte thätter der sicherheitscommission anzuzeigen.

Betreffent den 5ten punct (die Frage 5 des Stückes a wird wiederholt) . - Diser punct ist also dunkl das ohne ersechung des originals hierauf nichts köne geantworthet werden.

Überigens seind zur mehrerer sicherheit dergleichen vorfahlente begebenheiten ohne versaumnus hieher zu berichten, damit hierüber die herrn rechtsgelehrten mögen consultiret werden.

Actum Wienn den 9ten junii 1727.

P. Engelbertus prof. Mell. secretar. m. p.

(Ganz eigenhändig.)

Standort
Melk | BH: Melk | Bundesland: Niederösterreich | Eigentümer: Stiftsarchiv Melk | InvNr.: 2 Actenstücke vom 1727 |
Herkunft / Fundort
Ravelsbach | BH: Hollabrunn | Bundesland: Niederösterreich |
nähere Angaben
exaktes Datum: 9. Juni 1727 | Entstehung: 1727 |
Literaturhinweise
Gustav Winter (Hg.), Niederösterreichische Weistümer. Teil 2: Die Viertel ob und unter dem Mannhartsberg (Österreichische Weistümer 8). Wien-Leipzig 1896, S. 543-545, Nr. 81/II (Edition).

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