Klein-Retz, Bergtaiding des Nonnenklosters zu Tulln (1615)

Pergthäding zu Rötz under dem Pisenberg.

Wir Anna priorin und convent deß wierdiegen jungfrawenclosters Tulln bekennen für unß und unsere nachkommen und thuen kunt menniglichen: nachdem wir zu Retz unter dem Pisenberg gelegen ein freies weingebürg, in welchem niemants anderer dann allein wir und unser gottshauß als gruntobrigkeit alle freiheit, recht und gerechtigkeit haben, und dieweiln von alters herkommen daß jehrlichen und iedes jar besonder zu behanthabung besagter unserer freiheiten auch zu erhaltung alle guete ordnung in dem gebürg in dem dorf zu Retz durch unsers gottshauß schafern und vorstehern ein offentliches pergthäding gehalten worden, alß wöllen wir die in denen alten pergthädigingbüchern begriffen artikel und puncten hieher widerumben erholt, confirmirt und becreftiget haben, und setzen daß es allerdings bei denselben verbleiben und würklichen nachgelebt werden solle.

Und ist also hie anfenglichen zu merken die freiheit und gerechtigkeit so da haben die ehrwierdigen und geistlichen jungfrawen N. priorin und convent des closters Tulln zu Retz in dem perg.

1. Erstlichen reden wir zu recht daß man soll geen in das pergthäding des sontags nach st. Geörgen tag oder wann es der gruntobrigkait gefält. wer das nit thet, der ist umb den wandl 12 pfennig. so aber ainer das aus frävel ubertrett und außer hochwichtigen ehehaften ursachen nit erschien, der ist zu wandl 72 pfennig.

2. Item, so reden wir auch bei unserm ait daß man soll von ainem joch pergthäding 4, von ainem halben joch 3, von ainem viertl 2 und von ainer raahen 1 pfennig, und daß alles geben dem perkmaister zu ainer gedechtnuß daß er soll der gmain zugeben ainen vorsprech.

3. Item, der perkmaister so uber das gebürg gesetzt wirdt der soll sein ein erbarer, aufrichtiger und der weingartarbait wollerfahrner mann und der sonsten mit andern weingartgepaw unbeladen; und soll er auch ninderts als zu Retz auf der wierdigen frawen gründen häußlichen sitzen und wohnen.

4. Der pergmaister der soll auch schuldig sein, so balt die weingartarbeit angeht, alle wochen zwier oder aufs wenigist ainmall das gebürg durchgeen und sowoln auf die welche ihnen selbs als auf die so andern pawen sein vleißiges aufsellen haben, damit sie ire arbait zu rechter zeit verrichten. befund er aber hierin mängel, so soll er pergmaister noch ir zween zu sich nemmen, hinaus in das gebürg geen die arbait besichtigen, wurde dieselb unrecht untreulich erfunden stracks und ohne ainiges ansehen der persohn creuz schlagen und den verbrecher alsbalt durch gerichtszwang dahin halten daß er ime dem pergmaister die aufgesetzte straff innhalt der creuz, von iedem drei kreuzer, erlege. doch wirdt dem jehnigen dem die creuz geschlagen worden zugelassen ein uberbeschaw zu halten, und soll der closterrichter sambt ainem seiner geschwornen und dann von andern außlendischen oder herrn güetern drei nachbarn nemmen und die begerte bschaw, doch gegen erlegung durch den ungerechten des gebreuchigen bschaugelts, verrichten. befunte sich die ungerechte oder uble arbait bei ainem so ime selbs paut, hat er auch den schaden ime selbs; beschechs aber ainem pawherrn, soll ime nach erkantnuß des pergmaisters der schaden durch den weinzierl abgetragen werden; wie dan er pergmaister hierinnen dem armen wie dem reichen, dem reichen wie dem armen ain gleiches recht halten soll, damit sich niemants gegen ime zu beschweren ursach habe.

5. Dem pergmaister solle auch hierinn durch niemanden kein irrung beschehen noch vil weni ger denselbi gen spöttlichen und schmachlichen halten; der es aber thett, der ist zu wandl der gruntobrigkeit 6 schilling 2 pfennig verfallen.

6. Item, so reden wir weiters zu recht daß man soll nemmen die haimb zue Corneuburg, und sollen darbei sein zween oder drei mannen so da in dem perg weingarten haben.

7. Item, so soll man von ainem dreiling 2 und von ainem fueder 3 emer zehent geben.

8. Dann so soll man auch von ainem joch weingarten geben ain emer, von ainem viertl ain viertl und von ainer rahen ain halbes viertl most pergrecht.

9. Item, wir reden auch zu recht daß niemant soll lesen vor st. Michaelis tag. da es aber zeitig sein, soll der pergmaister ainen oder zween zu sich nemen und den perg besichtigen. wer aber vor st. Michaelis tag list, der soll zum wandl verfallen sein 72 pfennig.

10. Der pergmaister soll haben ein zistl die aines pfening oder drei haller werth sei, die soll er dreimall in dem perg voll weinber anzubrechen macht haben.

11. Item, wer am samstag nach mittags arbait, der ist dem pergmaister wandlpflichtig 12 pfennig und dem gottshaus ain taller wax. wäre aber daß ainer säch und saget es nicht, so ist er auch zu wandl 12 pfennig.

12. Item, so soll ain ieglicher raumen die rahen vor seinem weingarten; thet er aber das nicht, so ist er umb den wandl 24 pfennig. wie nit weniger die stigl vor seinem weingarten auch zu vermachen; der es aber nit thet, der ist straffmeßig 24 pfennig.

13. Item, da ainer nit raumet vor seinem weingarten und ain anderer wuerf darbei umb, so mueß er demselben so umbgeworfen den schaden abtragen ohn alle gnadt, darzu ist er auch in der straff umb 6 schilling 2 pfennig.

14. Dann so soll auch ain ieglicher zufrieden vor seinem weingarten, und das soll geschehen in denen acht tagen nach st. Geörgen tag. wer aber das nicht thet, der ist wandlbüssig umb 72 pfennig.   15. Inngleichen so soll ein ieder vor seinem weingarten in der viechtrift die stain aufklauben. wer aber das nit thet, der ist von ainem ieden stain wandlpflichtig 12 pfennig.

16. Item, so soll keiner seinem negsten kein gwaltig wasser zu schaden laiten. welcher aber es thut, der ist so oft man bschaut straffmessig 72 pfennig.

17. Item, wer ain markstein auswürft, der ist wandlpflichtig 6 schilling 2 pfennig.

18. Wir reden auch weiters bei unserm ait daß der weingarten der da ligt im Frischleben soll nehmen die stöcken in dem Frischleben zu ainer gedechtnuß daß er hat ain freien weeg.

19. Item, wer stecken aus den weingarten trägt die nutz sein, der ist wandlpflichtig 12 pfennig.

20. Wer aber dieselbigen brech entzwei, der ist von ieglichem trumb zum wandl verfallen 12 pfennig.

21. Item, wir reden bei unserm ait daß wir haben ain freien pannberg. und wo einer feintschaft het und gieng ainer dem andern in den perg nach, und als oft er ihn uber ein stain oder stigl jaget ist er allweg wandlpflichtig 72 pfennig. und soll auch der pergmaister mit seinen knechten auf sein; da er aber keine knecht nit bei sich het, so soll er die anruefen die da weingarten haben an dem berg, und ime den helfen fahen; wer aber das nit thet und dem pergmaister nit helfen wolt, der ist straffmeßig umb 6 schilling 2 pfennig.

22. Da aber ainem, es sei in was sachen es wöll, uber beschehene clag kein außrichtung gevolgt, so mag er denselben vor dem gepürg durch den richter und pergmaister verbieten mit allen seinen früchten. hielt alßdann derselbig nit stracks gehorsamb sondern zug fort, so ist er verfallen 32 fl. und als oft er mit seinen verbottnen früchten, was es nun ist, für ein stigl fuehre gleichfals 6 schilling 2 pfennig, und das alles dem jungfrawencloster Tulln.

23. Item, wir reden weiters bei unserm ait daß das wasser soll rinnen aus dem Wolffgraben durch des alten Gundolz weingarten, als von alter herkommen und gewohnhait ist.

24. Item, wer an dem berg weingarten kauft, er sei wer er wöll, und geet in den berg uber des pergmaisters vorwissen und melt sich nit an, und als oft er darein geet ist er verfallen 72 pfennig.

25. Item, da einer in dem berg zu Retz ein weingarten ainem außwendigen und der nicht alda zu Retz wohnt - doch des closters underthanen, welche mit denen zu mehrgemeltem Retz gleichen einstant und kauf haben und darzu gelaßen werden sollen, hierinnen außgenommen - verkaufen und hingeben wolt, so soll derselb zu dem pergmaister geen ime solches anzaigen und den weingarten in der nachbarschaft anfailen laßen; und da sich kain kaufmann umb solchen weingarten bei dem pergmaister und hingeber innerhalb acht tagen nicht anmelden thuet, so mag der verkaufer seinen feilgeschlagenen weingarten (außgenommen keinem edlmann nicht) verkümmern und hingeben wem er will. da aber seinen grunt ainer an dem perg verkaufen thet und hat sich bei dem pergmaister zuvor nicht angemelt noch vill weniger der nachbarschaft den weingarten feil gethann, so soll derselb als ein ubertretter des pergs freiheit dem pergmaister zu wandl 6 schilling 2 pfennig und der gruntobrigkeit 10 pfund pfennig verfallen sein. und da in der nachbarschaft ainer zu solchem verkauften weingarten lust und gefallen hat und der kaufer wär ein außwendiger, so mag er gegen erlegung der kaufsumma in den kauf stehn; hette aber solchen weingarten ainer zu Retz kauft, so soll es bei solchem kauf verbleiben. wie dann der pergmaister alle und iede verkauf, wie die beschehen in dem perg, solle vleißig aufmerken und verzaichnen, damit bei dem gruntbuech ein ordenliche richtigkeit erhalten wirdt.

26. Item, wer an dem perg weingarten hat oder kauft, der soll sich darumben bei dem gruntbuech umb gueter ordnung willen und wie von alters herkommen schreiben lassen und seinen gwehrauszug nemmen. thet aber ainer solches nicht und wolt sich nit schreiben lassen, so soll demselbigen durch den pergmaister die arbeit so lang und vil biß er des grunts halber bei dem gruntbuech richtigkeit gemacht und erlangt hat nidergelegt werden. thet er aber uber des pergmaisters verbott in dem weingarten arbaiten, ist er zu wandl 6 schilling 2 pfennig.

27. Wir reden weiters bei unserm ait zu recht daß man kainen edlmann an dem berg soll leihen.

28. Item, wo der pergmaister viech in dem perg begreift, es sei klein oder groß, das ains manns ist, der ist wandl pflichtig 12 pfennig, und so oft ers begreift, es sei wenig oder vill, das ist pfantmässig.

29. Item, wo der pergmaister aine grasen begreift in dem perg die da nicht kert den ruken oder hindertheil in iren weingarten, die ist zu wandl verfallen 12 pfennig.

30. Item, so reden wir auch zu recht daß der closterisch richter mitsambt dem pergmaister - und sollen noch zu sich nemmen vier nachbarn von andern herrschaften so da auch haben weingarten an dem berg - jahrlichen an st. Lorenzen tag sollen setzen ainen tauglichen hüeter uber das gebürg, der da fromb und getrew sei auch der huet vorstehen kann. der soll der huet bei tag und nacht vleißig abwarten und sich in dem berg finden, sehen und hören laßen.

31. Der hüeter soll auch seinen auß- und eingang biß nach dem lesen bei niemants anderm dann bei dem pergmaister haben.

32. Item, der hüeter soll schuldig sein alles das so sich in dem perg zutrueg und begeb solches dem pergmaister anzuzaigen, auch was er pfantmeßiges in dem perg begreift dasselbig auch dem pergmaister zuefüehren. thet ers aber nicht, so soll der hüeter als ein zerbrecher des bergs freiheit umb das halbe huetgelt gestrafft sein.

33. Item, wo man ainen begreift an dem berg der da schaden thet an den weinbörn und begreift ihn der hüeter, so soll er ihn fahen und füehren zu dem pergmaister. wär es aber sach daß er sich gegen dem hüeter wehret und der hüeter überkem ihn, verwundet oder schlueg ihn gar zu tott, so soll der hüeter denselben nemmen und legen auf die stigl und soll thain auf die wunden ain pfening, so ist er niemants nichts schuldig noch pflichtig.

34. Item, wo aber ainer kemb und sich an dem hüeter rechen wolt in dem perg, so soll der pergmaister mit den genoßen dem hüeter von ainem orth zum andern beistendig sein.

35. Doch wo ain reisender ein kranker ein schwangers weib durch das gebürg oder fürgieng und rueft dem hüeter dreimall und wann er kombt, so soll er sein schuldig ainem ains oder zwei weinbör zu geben und damit fort paßiren laßen; kombt er aber aber auf die drei rüef nit und daß er ihn nit erruefen können, so soll derselbig in den weingarten geen und ein weinbör, zwei oder drei und nit mehr abbrechen, dieselbigen essen und den stingl zum warzeichen under den stock legen. wo dann der hüeter darüber kemb, so ist er ihm nicht pfantmessig; da er aber mehr nemb, so ist er ihm pfantschuldig.

36. Item, des herzogs richter soll verruefen die hunt zu Retz, und nach dem verruefen so er ainen begreift auf der gaßen ist er wandlpflichtig 24 pfennig. da aber der hüeter ainen hunt zu weingarten betritt und daß er ihn nicht erlaufen mag, so soll er dem hunt biß in das hauß nacheilen, alda er den hunt, er sei under dem tisch oder wo er ihn erdappen kan, erstechen oder erschlagen soll, und ist niemants darumb nichts pflichtig.

37. Item, es soll auch keiner biß das lösen völlig vorüber seinen hunt von der kötten ablaßen. wer aber das thet und lest den hunt ab, der ist des herzogen richter zu wandl 72 pfennig.

38. Item, wo ein nachbar dem andern zu weingarten durch den rain zug ainen stock, geschäch es bei tag so ist er dem pergmaister verfallen 72 pfennig, geschäch es aber bei der nacht so ist derselb in der fraw priorin straff.

39. Wo auch sonsten ainer dem andern zu schaden gieng und darob begriffen wuerde, derselb ist dem pergmaister zu wandl 6 schilling 2 pfennig. geschäch das bei der nacht, so ist er in der fraw priorin straff und noch darzu dem der schaden beschehen denselben abzutragen schuldig.

40. Also soll auch keiner dem andern seine pogen aufheben, sondern wer dawider thet und begriffen wurde, soll alsdann der so ainem anderen sein guet entfrembt gestrafft werden.

41. Item, der zehetner soll fahren ein meil weegs, außgenommen gen Corneuburg nit.

42. Item, wan der zehent berait ist, so soll man dem zehetner entpieten daß er den nemb und abholl. wär aber daß der zehetner nit kemb, so soll der zehentgeber ainen oder zween zu im nemmen und sollen den haimen; wirdt er ihm entwicht, so ist er im nichts pflichtig. wär aber daß der zehentgeber läßig und entpiet dem zehetner nit und wirdt ihm der most entwicht, so läst er ihm aus dem vaß heraus.

43. Item, der pergmaister soll nemen ir vier in dem aigen und soll beschawen den berg wie die arbait darinnen verricht worden; und wer das widerredt, der ist wandlpflichtig ein viertheil wein ohn alle gnadt. und der pergmaister soll den viern ein malzeit geben.

Und thuet sich also hiemit das pergthädingbuech enden.

Deßen zu wahrem urkunt haben wir obgenante priorin und convent diß gegenwertige pergbuch mit unserm priorat- und conventinnsigeln becreftiget und mit aigen handen underschriben. beschehen im closter Tulln den zehenten monatstag septembris im sechzehenhundert und funfzehenten jar.

 Anna Mairhofferin Anna Zererin
 priorin.  suppriorin, und convent.

             
Herkunft / Fundort
Klein-Retz | BH: Korneuburg | Bundesland: Niederösterreich |
nähere Angaben
exaktes Datum: 10. September 1615 | Entstehung: 1615 |
Literaturhinweise
Gustav Winter (Hg.), Niederösterreichische Weistümer. Teil 2: Die Viertel ob und unter dem Mannhartsberg (Österreichische Weistümer 8). Wien-Leipzig 1896, S. 405-409, Nr. 61/II (Edition).

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