1) Viele Jahrhunderte lang wurde die Gerichtsverhandlung per Gottesurteil angewendet. Es basiert auf der Überzeugung, dass "Recht Macht gibt" und war in seiner extremeren Form darauf bedacht, die Schuld oder sonstiges vom Angeklagten zu erfahren. Die Gottesurteile zählen zu den Leibesstrafen . In vielen Gottesurteilen wurden Gliedmaßen rotglühendem Eisen oder kochendem Wasser ausgesetzt. Vorerst wurden die Gottesurteile nur als Androhung angewandt, um den Delinquenten ein Geständnis abzuringen. Doch bald wurden Gottesurteile als Zweck der Erlangung eines Geständnisses eingesetzt. Es gab mehrere Arten, die alle dasselbe Ziel hatten: Wurde der Angeklagte der Folter als Unschuldiger ausgesetzt, würde Gott ihn vor Verletzung bewahren.
2) Das göttliche Eingreifen in das irdische Rechtsleben fand seinen nachhaltigsten Niederschlag in den ausdrücklich als Gottesurteil genannten Formen. Darunter verstand man eine formale Prüfung unter genau festgelegten Bedingungen, um den Willen und das Urteil Gottes in Angelegenheiten zu erforschen, welche die menschliche Fähigkeit der Wahrheitsfindung überstiegen. In der weitesten und allgemeinen Form wurde es gesucht, um eine Entscheidung in einer Sache überhaupt herbeizuführen. In einem engeren Sinn konnte ein Gottesurteil gesucht werden, um einen Rechtsfall zu lösen. Es diente dem Erweis der Schuld oder Unschuld eines Verdächtigen und wurde als Beweisverfahren in rechtliche Formen gegossen, die sich zu religiösen Ritualen gestalteten und sakramentalen Charakter hatten. Grundsätzlich konnte ein Gottesurteil nur durchgeführt werden, wenn kein anderes, traditionell anerkanntes Beweismittel herangezogen werden konnte. Der juristische Begriff wurde erst in der Aufklärung geprägt und sollte alle Formen der irrationalen Verfahrensschritte, vor allem der Beweismittel erfassen, also auch den Eid , der aber eindeutig kein wirkliches Gottesurteil war.
Gott sprach auch durch Hinrichtungsgegenstände: Das Schwert des Scharfrichters verweigerte den tödlichen Hieb, der Holzstoß des Scheiterhaufens wollte nicht brennen, der Strick beim Aufhängen riss. Oft sah man dann von einer Wiederholung der Hinrichtung ab.
Manchmal überließ man die Vollstreckung des Todesurteils von vornherein dem göttlichen Willen. Zum Beispiel warf man den zum Tod durch Ertrinken Verurteilten in den Fluss, konnte er lebend geborgen werden, war er durch Gottes Hilfe gerettet.
Beispiele für Gottesurteile: Eisenprobe , Wasserprobe ( Kaltwasserprobe ), Probe des glühenden Eisens , Handeisen , Pflugscharengang , Kesselfang ( kochendes Wasser ), brennende Kerze ( Kerzenprobe oder Kreuzprobe ), Bissprobe ( Schluckordal , Abendmahlprobe ), Bahrprobe ( Bahrrecht , Blutungsrecht , Bahrgericht ).
3) Weitere Beispiele: Abendmahlprobe , Feuerprobe , Losurteil .
<p>2) Gottesurteile gab es in allen Kulturen. In der Frühzeit verwendete man die Bezeichnung "Zwingzauber" gegenüber den Elementen Erde, Wasser und Feuer, denen eine reinigende Funktion zugesprochen wurde. Ebenfalls konnte dem Zweikampf eine magische Bedeutung der körperlichen Kraft oder der Waffen zuerkannt werden. Das Christentum knüpfte daran an, verstand sie nun aber in einem neuen Sinne: als Ausdruck des Vertrauens in Gott, der selbst rechtlich und das Recht liebend gedacht wurde.</p>
<p>4) Die Kirche entwarf wahrscheinlich erstmals in den angelsächsischen beziehungsweise iro-schottischen Diözesen für Wasserprobe, Bissprobe und Kesselfang Ritualvorschriften, die dann auf die anderen Gottesurteile ausgedehnt wurden.</p>
<p>1) Museen für mittelalterliche Rechtsgeschichte, Die Geschichte der Folter. Wien, Seeboden, 2000.</p>
<p>2) Schild, Wolfgang, Folter, Pranger, Scheiterhaufen. Rechtsprechung im Mittelalter, Bassermann Verlag, München, 2010. S. 26-36.</p>
<p>3) <a href="http://www.suehnekreuz.de" target="_blank">www.sühnekreuz.de</a>, eingesehen am 2. August 2010.</p>
<p>4) Schild, Wolfgang, Folter, Pranger, Scheiterhaufen. Rechtsprechung im Mittelalter, Bassermann Verlag, München, 2010. S. 31.</p>