In dem Blute liegt die Seelenkraft. Aus diesem Grund war das Bluttrinken üblich, denn man glaubte, durch das Trinken des Blutes könne man die seelische Kraft des Menschen oder Tieres gewinnen. Davon erzählt schon das Nibelungenlied, Vers 2054: "Dâ von gewan vil krefte ir etliches lip." Von den Ungarn schreibt die Chronik des Abtes Regino von Prüm: "Sie trinken das Blut, verschlingen als Heilmittel die in Stücke zerteilten Herzen derer, die sie zu Gefangenen gemacht." Daher rührt auch die Sitte, das Blut gewisser Tiere zu trinken. So trinkt der obersteirische Jäger das Blut des frisch aufgebrochenen Wildes, um sich eine "feste Brust" zu erhalten. Ochsenblut mit Wein und Honig gemischt ist ein altgermanischer Krafttrank. Moses verbot umsonst das Bluttrinken; auch der Koran untersagt den Genuss des Blutes. Ebenso kämpften die Bußverordnungen des Mittelalters aufs heftigste dagegen.
Handwörterbücher zur deutschen Volkskunde, herausgegeben vom Verband deutscher Vereine für Volkskunde, Abteilung 1, Aberglaube, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Herausgegeben unter besonderer Mitwirkung von E. Hoffmann-Krayer und Mitarbeit zahlreicher Fachgenossen von Hanns Bächtold-Stäubli, Band 1, Walter de Gruyter und Co., Berlin und Leipzig, 1927. Spalten 1435-1436.